Jonathan Gebauer

  • Rechtsanwalt
  • zert. Mediator

Der BGH hat durch Beschluss vom 26.04.2023 (Aktenzeichen IV ZB 11/22) entschieden, dass die in einem Versäumnisurteil festgestellte Erbunwürdigkeit für das Nachlassgericht im Erbscheinverfahren bindend ist.

Nach einem Todesfall erteilt das Amtsgericht als Nachlassgericht auf Antrag einen Erbschein, in welchem die Erbinnen und Erben der verstorbenen Person aufgeführt werden. Immer wieder kommt es vor, dass die Beteiligten bereits zuvor in anderen gerichtlichen Verfahren (zum Beispiel beim Landgericht) darüber gestritten haben, wer Erbin und Erbe geworden ist oder wer für erbunwürdig erklärt werden muss. An diese früheren Entscheidungen ist das Nachlassgericht beim Erbscheinverfahren grundsätzlich gebunden, darf sich also nicht über sie hinwegsetzen.

Wenn in einem Gerichtsverfahren die beklagte Partei auf die Übersendung der Klagschrift nicht innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist reagiert, ist die Partei „säumig“. Auf Antrag der klägerischen Partei kann dann ein so genanntes Versäumnisurteil ergehen. In einem solchen Fall entscheidet das Gericht ohne Anhörung der beklagten Partei nach dem Inhalt der Klagschrift durch Beschluss oder Urteil.

Im vorliegenden Fall hatte die Tochter des Erblassers die Ehefrau des Erblassers wegen Erbunwürdigkeit verklagt. Die Witwe hatte jedoch die Gerichtspost nicht geöffnet und auf die Klage nicht reagiert, sodass das Gericht auf Antrag der Tochter ein Versäumnisurteil ausgesprochen hat. In diesem wurde die Erbunwürdigkeit der Witwe entsprechend der Klage festgestellt. Der BGH hat nun entschieden, dass auch ein solches Versäumnisurteil für das Nachlassgericht im Erbscheinverfahren bindend ist. Mit anderen Worten: Dadurch, dass die Witwe nicht auf die Klage reagiert hatte, hat sie durch das Versäumnisurteil jeglichen Anspruch auf ihre Erbinnenstellung verloren.

Auch erbrechtliche Ansprüche können durch Versäumnisurteile dauerhaft verloren gehen. Lassen Sie daher keine Post von Gerichten oder Behörden unbeantwortet und beachten Sie etwaige Antwortfristen. Bei Zweifeln oder Fragen suchen Sie rechtzeitig eine Anwältin oder einen Anwalt auf.