Jonathan Gebauer

  • Rechtsanwalt
  • zert. Mediator

Soweit ein ernsthafter Testierwille des Erblassers feststellbar ist, kann ein mit „Vollmacht“ überschriebenes Schriftstück ein rechtswirksam errichtetes Testament darstellen. Bevollmächtigungen können hierbei als Vermächtnisse auszulegen sein.

Die Erblasserin hatte in diesem Fall auch über ihren Tod hinaus (=transmortal) ihre Patentochter bevollmächtigt, über Bankkonten „zu verfügen und sich das Guthaben auszahlen zu lassen“. Durch Zeugenvernehmung kam das Gericht zu der Überzeugung, dass die Erblasserin ihrer Patentochter durch diese Vollmacht das Bankguthaben von Todes wegen zuwenden wollte. Das Gericht nahm daher einen Testierwillen der Erblasserin an und qualifizierte die handschriftliche Vollmacht als Testament mit Vermächtnisanordnung zugunsten der Patentochter.

In Hinblick auf diese Entscheidung sollte insbesondere bei transmortalen (Vorsorge-) Vollmachten auf eine rechtlich eindeutige Formulierung geachtet werden. Andernfalls könnte ein lediglich als Vollmacht gedachtes Dokument später leicht durch Auslegung und entsprechende Zeugenaussagen als Testament qualifiziert werden. Insbesondere bei älteren oder privatschriftlichen Vollmachten kann eine anwaltliche Überprüfung empfehlenswert sein.