Bereits in unserer letzten Ausgabe hatten wir darüber berichtet, dass im politischen Meinungskampf auch ein härterer Ton noch von der Meinungsfreiheit gedeckt sein kann (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 14. 01.2015, Az. 6 U 156/14). Nun entschied das Oberlandesgericht Dresden in einem kürzlich ergangenen Urteil, dass auch ein wahlkampfmotivierter Boykottaufruf über Twitter rechtmäßig sein kann. Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zu Grunde:
Ein Politiker äußerte sich im Rahmen des Wahlkampfes über Twitter über einen Friseur wie folgt: „Ab sofort empfehle ich, nicht mehr zum Friseur …in #… zugehen. Inhaber ist ein #AFD ler. Man weiß nie, wo die Schere ansetzt.“
Über diese Äußerung entbrannte ein Streit zwischen dem Versender der Nachricht und dem betroffenen Mitinhaber eines Friseurbetriebes. Der Mitinhaber des Friseurbetriebes forderte den Äußerer zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wegen persönlichkeitsrechtsverletzender und wettbewerbswidriger Äußerungen sowie Eingriff in den sog. eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb auf. Als dieser sich weigerte, eine solche strafbewehrte Unterlassungserklärung abzugeben, versuchte der Mitinhaber des Friseurbetriebes die Unterlassung gerichtlich durchzusetzen – jedoch ohne Erfolg.
Das OLG Dresden kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Meldung via Twitter um eine zulässige Meinungsäußerung handelte, mit der der beklagte Äußerer Distanz und Kritik an der politischen Ausrichtung und geistigen Haltung der AfD-Partei äußern wollte.
Auch bestehe zwischen den Parteien kein Wettbewerbsverhältnis, so dass der Beklagte nicht in der Verfolgung von Eigeninteressen gehandelt hatte. Der Beklagte habe sich darüber hinaus „mit der „Empfehlung“, verbunden mit dem Hinweis auf die Parteizugehörigkeit, auf einen bloßen Appell beschränkt, die Dienstleistungen des Klägers wegen seiner politischen Ausrichtung nicht mehr in Anspruch zu nehmen. Einen darüber hinausgehenden Versuch der unzulässigen Einflussnahme lässt sich (…) der Äußerung insgesamt nicht entnehmen.“ Nach Meinung der Dresdner Richter handele es sich vielmehr „um eine erkennbar sarkastisch gemeinte Meinungsäußerung über die AfD-Partei unter Anspielung auf den Beruf des Klägers. (…) Es ging darum, kurz vor der Landtagswahl die AfD-Partei und ihre Kandidaten mit Mitteln des Sarkasmus und der Häme herabzusetzen und lächerlich zu machen. Eine solche überspitzte Äußerung in der Auseinandersetzung mit dem politischen Gegner gehört zu den Grundformen eines Wahlkampfes, die prinzipiell in den Bereich des Meinungsmäßigen und damit in den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG gehören.“ Weiter stützten die Richter ihr Urteil darauf, dass die Äußerung „als Teil der Auseinandersetzung eines Kandidaten mit einem konkurrierenden Kandidaten im Landtagswahlkampf und damit zugleich als Teil der Auseinandersetzung der jeweiligen Parteien im Rahmen von deren in Art. 21 Abs. 1 Satz 1 GG zugewiesener Aufgabe, bei der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken“ fiel und diese Aufgabe keine inhaltliche Reglementierung vertrage (OLG, Urteil v. 05.05.2015 – Az.: 4 U 1676/14).
Was in einem politischen Wahlkampf erlaubt ist, lässt sich nicht ohne weiteres auf private oder unternehmerische Bereiche übertragen. Eine Einschätzung und Abwägung im Einzelfall ist daher in jedem Fall geboten.