In den vergangenen Jahren hat die Zahl der Privatinsolvenzen stark zugenommen. Immer wieder stellt sich die Frage, ob ein Erbe vor oder während eines Insolvenzverfahrens eine angefallene Erbschaft frei ausgeschlagen darf bzw. ein Pflichtteilsanspruch geltend machen muss.
§ 83 Abs. 1 Nr. 1 InsO schreibt ausdrücklich das Recht des Schuldners fest, eine angefallene Erbschaft vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens oder während des Insolvenzverfahrens auch auszuschlagen. Sollte nicht ausgeschlagen werden, trifft den Schuldner gem. § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO die Verpflichtung, ein Erbe zur Hälfte an den Treuhänder herauszugeben. Die Beschränkung auf die Herausgabe der Hälfte soll dazu führen, dass der Schuldner davon absieht, die Erbschaft auszuschlagen. Jedoch kann aus dieser Norm auch geschlossen werden, dass es allein die Entscheidung des Schuldners ist, ob er in der Zeit der sog. Wohlverhaltensperiode eine Erbschaft überhaupt annimmt oder sie eben ausschlägt.
Ein Erbe kann vor oder während eines laufenden Insolvenzverfahrens eine Erbschaft ausschlagen.
Die herrschende Meinung geht davon aus, dass auch Pflichtteilsansprüche unter § 295 Abs. 1 Nr. 2 InsO fallen und zur Hälfte herausgegeben werden müssen. Das bedeutet jedoch auch, dass der Schuldner es auch bei Pflichtteilsansprüchen selbst „in der Hand“ hat, ob er überhaupt seinen ihm zustehenden Pflichtteilsanspruch geltend machen möchte oder nicht. Der BGH hat mehrfach betont, dass unabhängig von Pfändungen oder Insolvenzverfahren der Pflichtteilsberechtigte bei seiner Entscheidung frei bleiben muss, ob er seinen Pflichtteil geltend machten möchte oder nicht.
Gerade weil die Geltendmachung eines Pflichtteilsanspruchs mitunter erhebliche familiäre Konsequenzen nach sich zieht, kann auch ein Schuldner im Insolvenzverfahren nicht gezwungen werden, seinen Pflichtteilsanspruch auch tatsächlich geltend zu machen.
Kein Gläubigerzugriff trotz Enterbung
Immer wieder kommt es vor, dass gewissermaßen „einvernehmlich“ Eltern überschuldeter Kinder diese vollständig enterben, um den Nachlass nicht an die Gläubiger gehen zu lassen. So lange der Pflichtteilsanspruch nicht aktiv geltend gemacht wird, besteht auch keine Möglichkeit für die Gläubiger, den Anspruch zu verwerten.
Ein in der Insolvenz befindlicher Pflichtteilsberechtigter kann von seinen Gläubigern nicht gezwungen werden, den ihm zustehenden Pflichtteilsanspruch geltend zu machen. Auf diese Weise kann im Zusammenwirken zwischen Testator und überschuldeten Pflichtteilsberechtigtem der Nachlass vor dem Zugriff der Gläubiger geschützt werden. Der Schuldner kann durch schlichte Inaktivität den Gläubigern den Zugriff verwehren.