Die Erbschaftsteuerreform im Jahr 2009 hat neben der Erhöhung der Freibeträge den weiteren Befreiungstatbestand des sog. „selbstgenutzten Familienheims“ gebracht. Erklärtes Ziel des Gesetzgebers war, die vom Erblasser und seinem Ehegatten bewohnte Immobilie für den überlebenden Ehegatten bzw. eingetragene Lebenspartner in jedem Fall steuerfrei zu halten. D.h. der überlebende Ehegatte kann die Wohnung, in der er vorher mit dem verstorbenen Ehegatten lebte vollständig steuerfrei erwerben und daneben, also zusätzlich, seinen Freibetrag von € 500.000 ausnutzen. Einzige Voraussetzung für die Steuerfreiheit ist, dass der überlebende Ehegatte/eingetragene Lebenspartner die Immobilie mindestens noch weitere 10 Jahre selbst nutzt. Ein durch Pflegebedürftigkeit erzwungener Auszug gefährdet dabei die Steuerfreiheit nicht.
Erbt der Ehegatte/eingetragene Lebenspartner, spielt die Größe der Immobilie für die Steuerfreiheit keine Rolle. Anders jedoch, wenn Kinder die Immobilie erben: Steuerfrei werden nur Immobilien mit bis zu 200m² erworben. Auch Kinder müssen für den steuerfreien Erwerb die Wohnung mindestens 10 Jahre selbst bewohnen.
Zuletzt hat es zwei wichtige Entscheidungen der Finanzgerichtsbarkeit zur 10-jährigen Selbstnutzung gegeben:
Das Finanzgericht München hat in einem Urteil vom 24.02.2016 (Az.: 4 K 2885/14) entschieden, dass die strengen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung auch dann anzuwenden sind, wenn die Ehepartner zwar einen Umzug in ein neues Familienheim planten, dann aber ein gemeinsamer Einzug wegen schwerer Erkrankung oder Todes nicht mehr möglich war.
Im entschiedenen Fall verzögerte sich der Umzug der Eheleute in eine neu angeschaffte Wohnung durch Umbaumaßnahmen. Obgleich der feste Entschluss der Eheleute, ihren Wohnsitz in die neue Wohnung zu verlegen, unstreitig war und dann der überlebende Ehepartner die Wohnung nach Fertigstellung auch bezogen hatte, verweigerte das Gericht die Steuerbefreiung, weil der vorverstorbene Ehegatte gerade vor Einzug in die neue Immobilie verstorben war. Das Finanzgericht ließ die bloßeerkrankung Absicht, in die Wohnung einziehen zu wollen, nicht ausreichen. Auch die schwere Erkrankung des vor Einzug verstorbenen Ehegatten und die nicht zu vertretenden Bauverzögerungen sah das Gericht als unerheblich an. Mit anderen Worten: Die oben beschriebene Steuerbefreiung für den erbenden Ehegatten greift nur dann, wenn beide Ehegatten vor dem Tod des Zuerstversterbenden das Eigenheim auch tatsächlich (wenn auch nur kurz) gemeinsam bewohnten.
Das Hessische Finanzgericht hat in einem Urteil vom 15.02.2016 (Az.: 1 K 2275/15) entschieden, dass für die Steuerbefreiung nicht nur das tatsächliche Weiternutzen der Immobilie auf 10 Jahre notwendig ist; es muss auch das Eigentum an der Wohnung auf diesen Zeitraum beim weiternutzenden Ehegatten verbleiben. Im Streitfall hatte nämlich der Erbe das von seiner Mutter geerbte und von ihm dauerhaft weiterbewohnte Einfamilienhaus bereits vier Jahre nach dem Erbfall an seine eigenen Kinder übertragen und sich die Selbstnutzung darüber hinaus durch ein Dauerwohnrecht im Haus vorbehalten.
Immer dann, wenn das ererbte und selbstgenutzte Eigenheim innerhalb von 10 Jahren nach dem Tod des Ehegatten bzw. Elternteils verkauft/übertragen werden soll, sollte man sich in jedem Fall anwaltlich beraten zu lassen. Wenn der Erbe nämlich sein Eigentum aufgibt, entfällt rückwirkend die ursprünglich vom Finanzamt zugesagte Steuerbefreiung!