Häufig wählen Ehegatten bei der Regelung ihrer Nachlassangelegenheiten die Form des gemeinsamen Testaments im Sinne des sogenannten Berliner Testamentes. Dabei setzen sich die Ehegatten zunächst gegenseitig zu Alleinerben und ihre Kinder zu Schlusserben ein. Damit soll erreicht werden, dass gemeinsames Vermögen (z.B. das selbstgenutzte Wohneigentum oder Immobilien, aus denen Mieteinahmen fließen) dem überlebenden Ehegatten vollumfänglich auch weiterhin zur Existenzabsicherung zusteht. Vermieden wird das Entstehen einer Erbengemeinschaft mit den Kindern.
Hätten die Ehegatten nämlich kein Berliner Testament aufgesetzt, würde das gesetzliche Erbrecht zur Anwendung kommen und es würde eine Erbengemeinschaft zwischen überlebendem Ehegatten und den Kindern entstehen, die (möglicherweise konfliktträchtig) auseinandergesetzt werden müsste.
Der Vorteil des Berliner Testamentes ist letztlich, dass der Überlebende wirtschaftlich „genauso“ weiterleben kann, wie vor Tod des Ehegatten.
Der gewichtige Nachteil von Berliner Testamenten ist jedoch, dass die Kinder bereits nach dem Tod des Erstversterbenden ihre sogenannten Pflichtteile geltend machen können, weil sie ja nach dem Tod des ersten Elternteils aufgrund der Alleinerbeinsetzung des überlebenden Elternteils „leer“ ausgehen, also enterbt sind. Um zu vermeiden, dass die Kinder ihren Pflichtteil noch zu Lebzeiten des überlebenden Elternteils geltend machen (und dann „Unfrieden“ entstehen könnte), enthalten Berliner Testamente in der Regel sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln, wonach Kinder, die den Pflichtteil nach dem Tod des Erstversterbenden geltend machen auch nach dem Tod des zweiten Elternteils enterbt werden und auch dann wirtschaftlich nur die Hälfte des gesetzlichen Erbteils erhalten.
Gerade bei größeren Vermögen, etwa vermietetem Wohneigentum, aus dem die Eheleute einen Teil ihres Einkommens bestreiten, kann es aber sinnvoll sein, den Pflichtteil – etwa im Einvernehmen mit dem überlebenden Elternteil – geltend zu machen: Dazu müsste jedoch das Testament eine entsprechende Formulierung enthalten, die genau dies möglich macht.
Sollte der überlebende Ehegatte innerhalb der Verjährungsfrist für die Geltendmachung des Pflichtteilsanspruches, also innerhalb eines Dreijahreszeitraums nach dem Erstversterbenden ebenfalls versterben, sollte in jedem Fall überlegt werden, ob nicht der Pflichtteil „fiktiv nachträglich“, also posthum, geltend gemacht werden sollte. Der Bundesfinanzhof hat nämlich
in einem aktuellen Urteil vom 19.02.2013 (Az.: II R 47/11) erneut entschieden, dass der Pflichtteilsanspruch – obwohl er mit dem Tod des zweiten Elternteils zivilrechtlich erlischt – gemäß § 10 Abs. 3 ErbStG erbschaftsteuerrechtlich zu berücksichtigen ist, sofern noch keine Pflichtteilsverjährung eingetreten ist.
Um in den Genuss eines entsprechenden Steuervorteils zu kommen, muss der Pflichtteilsberechtigte gegenüber dem zuständigen Finanzamt erklären, er mache den Anspruch geltend. Das Finanzamt hat diese Erklärung dann zu akzeptieren und zwar unabhängig davon, ob der Verpflichtete (also das mittlerweile letztverstorbene Elternteil) damit rechnen musste, den Anspruch zu Lebzeiten erfüllen zu müssen.
Wenn eine solche Erklärung dem Finanzamt zugeht, reduziert sich zum einen bereits die Erbschaftssteuerlast nach dem erstverstorbenen Elternteil, weil der nachträglich geltend gemachte Pflichtteil als Verbindlichkeit den zu versteuernden Nachlass schmälert. Zum anderen wird nach dem Tod des weiteren Elternteils dessen Nachlass um den Pflichtteil reduziert, was also ein weiteres Mal Steuer reduzierend wirkt.
Schließlich können sich insbesondere bei großen Vermögen durch die gegebenenfalls doppelte Auswirkung des persönlichen Freibetrages (für jedes Kind und jeden Erbfall € 400.000) enorme Steuervorteile ergeben und dadurch Nachteile ausgeglichen werden, die durch die ursprüngliche und unzureichende Testamentsgestaltung steuerrechtlich entstanden waren. Natürlich immer vorausgesetzt, die Eltern versterben innerhalb der dreijährigen Pflichtteilsverjährungsfrist.
Obgleich durch die neue Rechtsprechung des BFH in bestimmten – aber wohl eher seltenen – Fällen Gestaltungsnachteile des Berliner Testamtes ausgeglichen werden können, empfiehlt sich in jedem Fall schon frühzeitig, also schon bei der Testamentserrichtung, nicht einfach aus Formbüchern abzuschreiben, sondern fachanwaltlichen Rat einzuholen.