Der BGH hat jüngst entschieden (vgl. BGH, Urt. v. 12. April 2016 – II ZR 275/14 – Urteilsgründe noch unveröffentlicht), dass Gesellschafter ihr Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung grundsätzlich frei ausüben können.
Bei der beklagten GmbH handelt es sich um die Konzernholdinggesellschaft der Media-Saturn-Gruppe. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung dieser GmbH bedürfen einer Mehrheit von 80% der Stimmen. Die Klägerin, eine der Gesellschafterinnen, war an der GmbH zu 21,62% der Stimmen beteiligt. Die andere (an dem Verfahren als Streithelferin beteiligte) Gesellschafterin hielt die restlichen Anteile. Das Verhältnis der beiden Gesellschafterinnen ist wegen mehrerer Meinungsverschiedenheiten belastet. Bei einer Gesellschafterversammlung im Dezember 2012 wurde über Maßnahmen zur Eröffnung neuer Standorte in 50 Fällen abgestimmt. Jedenfalls in neun Fällen kam der Beschluss nicht zustande: In diesen stimmte die als Streithelferin beteiligte Gesellschafterin gegen die Maßnahmen, in drei Fällen enthielt sie sich der Stimme. Ihre Ablehnungen und Enthaltungen begründete sie nicht inhaltlich sondern mit formalen Gesichtspunkten: Ihrer Ansicht nach könnten die Maßnahmen von der Geschäftsführung ohne Zustimmung der Gesellschafter durchgeführt werden. Über ihre dahinterstehenden Motive kann nur gemutmaßt werden: Zum einen führt die Zustimmung der Gesellschafterversammlung dazu, dass die Geschäftsführung in der Sache entlastet wird. Damit kann die Gesellschaft wegen der Durchführung der Maßnahmen von der Geschäftsführung später keinen Schadensersatz verlangen. Zum anderen vermutet die Klägerin, es gehe der Streithelferin darum, sie grundsätzlich von der Entscheidung über Standortmaßnahmen auszuschließen.
Das OLG München (Urt. v. 14. August 2014 – 23 U 4744/13) hatte auf die Berufung der Klägerin entschieden, die Stimmabgabe mit „Nein“ der Streithelferin sei treuwidrig und daher nichtig gewesen und dies damit begründet, dass die Maßnahmen unstreitig im Interesse der Gesellschaft lagen und Zwecke der Gesellschaft förderten. Die Ablehnung aus formalen Gründen sei sachwidrig. Die Treuepflicht verlange die aktive Förderung der Gesellschaftszwecke und habe daher die Abgabe einer „Nein-“Stimme verboten.
Diese Auffassung hat der BGH zurückgewiesen und festgestellt, dass Gesellschafter in ihrem Abstimmverhalten grundsätzlich frei sind. Die gesellschafterliche Treue verpflichte einen Gesellschafter erst dann zu einer bestimmten Stimmabgabe, wenn dies zur Erhaltung der geschaffenen Werte objektiv unabweisbar erforderlich und den Gesellschaftern unter Berücksichtigung ihrer eigenen schutzwürdigen Belange zumutbar sei.
Gesellschafter sind bei der Abgabe ihrer Stimme in der Gesellschafterversammlung grundsätzlich frei. Die bestehende Treuepflicht bedeutet nicht, dass Gesellschafter zu jeglichen Maßnahmen ihre Zustimmung geben müssten, die im Sinne des Gesellschaftszwecks sinnvoll erscheinen.
Ist das Abstimmverhalten eines Gesellschafters gesellschaftsschädigend, so besteht die Möglichkeit seine Stimme im Wege einer Klage mit Verweis auf die Treuwidrigkeit für nichtig erklären zu lassen.