Die Annahme, Lebensversicherungen fallen nicht in den Nachlass, erweist sich oft als Trugschluss. Das stimmt für den (realen) Nachlass. Angehörige sind von den weiteren erbrechtlichen Folgen jedoch oft überrascht.
Vermögens- und Versicherungsberatende verkennen oft den sog. Pflichtteilsergänzungsanspruch. Lebzeitige Schenkungen der vererbenden Person werden dem Nachlass fiktiv hinzugerechnet. Der sich ergebende fiktive Nachlass wird mit der Pflichtteilsquote multipliziert und ergibt den Ergänzungsanspruch.
Die Versicherungsleistung erhöht damit den Anspruch der Pflichtteilsberechtigten. Denn der Anspruch der Pflichtteilsberechtigten setzt sich im Ergebnis aus dem realen Nachlass und dem fiktiven Nachlass zusammen.
In der Regel handelt es sich bei Lebensversicherungen um eine lebzeitige Schenkung. Auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kommt es nicht an. Die bekannte 10 Jahresfrist gem. § 2325 BGB geht ins Leere. So hat der BGH (Urteil vom 28.4.2010 – IV ZR 73/08) schon im Jahr 2010 entschieden, dass die letzte juristische Lebenssekunde der vererbenden Person maßgeblich für den Wert ist. Der Rückkaufswert in diesem Zeitpunkt ist für den Ergänzungspflichtteil anzusetzen. Lebzeitig kann dies, in seltenen Fällen, durch eine Anpassung des Versicherungsvertrages vermieden werden.
Wenn Erben verhindern wollen, dass eine Lebensversicherung an eine begünstigte Person ausgezahlt wird, gilt es schnell zu sein: Durch einen Widerruf gegenüber der Lebensversicherungsgesellschaft, kann die Auszahlung als Schenkung verhindert werden.
Will hingegen die vererbende Person verhindern, dass die Schenkung später widerrufen wird, dann empfehlen wir, sich schon beim Abschluss des Versicherungsvertrages erbrechtlich beraten zu lassen.
Lebensversicherungen fallen nicht in den (realen) Nachlass, jedoch meist in den fiktiven Nachlass. Im Ergebnis sind Lebensversicherungsverträge für das Pflichtteilsrecht von hoher Relevanz.