Sofern einem Miterben ein Vorausvermächtnis zusteht, kann schon vor endgültiger Teilung der Erbschaft die Erfüllung verlangt werden
Während der Erbe sogenannter Rechtsnachfolger des Erblassers ist, kann über ein sogenanntes Vermächtnis der Erblasser konkrete Nachlassgegenstände oder Nachlasswerte bestimmten Personen oder Organisationen zuwenden. Möglich ist auch, dass in einem Testament ein Miterbe zusätzlich ein Vermächtnis erhält. In diesem Fall spricht man von einem Vorausvermächtnis.
Dem OLG Koblenz lag zuletzt ein Fall vor, in dem eine Erblasserin zwei Miterben hinterließ und zu deren Gunsten verschiedene Vorausvermächtnisse angeordnet hatte. Ein Miterbe begehrte vom anderen noch vor der endgültigen Erbauseinandersetzung die Zuteilung einer Nachlassimmobilie, die die Erblasserin durch Vermächtnis ihm zugeordnet hatte. Der andere Miterbe war der Ansicht, dass eine solche Erfüllung erst im Zusammenhang mit der endgültigen Einigung über die Erbteilung möglich wäre.
Dies sah das OLG Koblenz anders (OLG Koblenz, Hinweisbeschluss vom 11.03.2021, Az.: 12 U 1634/20). Auch in Konstellationen, in denen Miterben gleichzeitig Vorausvermächtnisnehmer sind, gelte der Grundsatz, dass Vorausvermächtnisse bereits mit Eintritt des Erbfalls fällig seien und dabei bereits vor endgültiger Aufteilung des Nachlasses verlangt werden könnten. Insbesondere hat das OLG noch einmal klargestellt, dass die Pflicht, ein Vermächtnis zu erfüllen, eine Nachlassverbindlichkeit ist, die bereits vor Nachlassauseinandersetzung zu erfüllen ist.
Sofern ein Testament vorliegt, lohnt sich in jedem Fall, eine erbrechtliche Beratung einzuholen. Gerade bei Laientestamenten stellt sich oft die Frage, ob neben der Erbeinsetzung „nur“ eine Teilungsanordnung vorliegt oder eben ein Vorausvermächtnis, welches schon vor der Erbteilung zu erfüllen ist bzw. deren Erfüllung verlangt werden kann.